Der Seehandel ist seit jeher einer der wichtigsten Bereiche des Handels; er reicht über 5.000 Jahre zurück, als die ersten Handelsrouten entlang des Arabischen Meers eingerichtet wurden. Damals wurden kleine Holzschiffe zum Transport von Waren eingesetzt, heute befahren über 400 m lange Ozeanriesen die Weltmeere und man kann sich gut vorstellen, welche Logistik für das Be- und Entladen erforderlich ist. Deshalb wurden immer leistungsfähigere Hafenterminals gebaut. Doch der Bedarf an immer besseren und effizienteren Lieferketten erfordert, dass diese Anlagen auf den neuesten Stand gebracht werden. In diesem Artikel können Sie erfahren, welchen Beitrag Revit für die Bewehrung von Beton dabei leistet.
Das Europa-Terminal im Hafen von Antwerpen (Belgien) wurde in den 1980er Jahren erbaut; es sollte die Kapazität des Hafens erweitern und die Liegezeit um 4 bis 6 Stunden verkürzen. Es erstreckt sich über 72 Hektar und verfügt über einen 1.200 m langen Stahlbetonkai. In diesem Jahr plant der Hafen von Antwerpen zusammen mit dem Terminalbetreiber PSA Antwerpen, die Kaimauer zu erneuern und sie tiefer zu bauen, sodass auch die größten Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 16 m hier anlegen können.
Das beauftragte Ingenieurbüro ist Tractebel, ein internationales Unternehmen mit belgischen Wurzeln, das weltweit Planungs- und Beratungsdienstleistungen anbietet, und zwar in den Bereichen Energieerzeugung, Kernenergie, Wasserbau und Infrastruktur für nationale und internationale Behörden und für private Kunden. Laut Filip Mortelmans M.Sc. Eng., dem Projektmanager von Tractebel, hat man sich dazu entschieden, die gesamte Modellierung und Detaillierung der Stahlbewehrung mit Revit zu planen, da bei dieser umfangreichen Tiefbaustruktur aus Stahlbeton die Genauigkeit, Produktivität und Tragfähigkeit sehr wichtig sind.
Die Zahlen sind beeindruckend. Die Kaimauer besteht aus über 2.000 Stahlbetonpfählen, die durch einen 11 m hohen, massiven Pfahlkopf miteinander verbunden sind. Die Pfahlköpfe werden in mehreren Stufen gegossen und erstrecken sich über 1.200 Meter Länge. Es gibt drei unterschiedliche Pfahltypen: 336 Pfähle bestehen aus Stahlrohren mit einem Durchmesser von 2,1 m, die 34 m tief und mit Beton gefüllt sind, der mit komplexen Bewehrungskäfigen verstärkt ist. Weitere 43 Pfähle nach demselben Prinzip haben einen Durchmesser von 1,63 m und sind 28 m tief. Um die Pfähle vor den Kräften des Meeres zu schützen, liegen hinter ihnen 1.623 einbetonierte Druckpfähle aus Stahlbeton, die jeweils einen Durchmesser von 0,56 m und eine Tiefe von 28 m haben. Für die gesamte Kaimauer werden bis zu 19.500 Tonnen Betonstahl benötigt.
Laut Filip de Clercq, Senior Consultant für Tractebel, werden alle Bewehrungsdetails, einschließlich der Biegelisten und Bewehrungspläne, mit den Standardfunktionen von Revit erstellt. Sie wurden für die spezifischen Anforderungen dieses Projekts angepasst, wie z. B. Farbkodierung der Stäbe zur einfachen Identifizierung, Bewehrungsbeschriftungen mit der Farbe der Stäbe und Beschriftungen, die sich je nach Typ und Rolle der Stäbe automatisch ändern. Vor einigen Jahren hat er von 2D-Zeichnungen in AutoCAD Structural Detailing zu Revit gewechselt. Diese Entscheidung hat er getroffen, weil sich Revit als ausgereifte BIM-Plattform für komplexe Projekte mit engen Terminen erwiesen hat.
Modelländerungen lassen sich einfach vornehmen, da die Familien und Anordnungen parametrisch definiert sind, wie beispielsweise die Abmessungen der Betonpfähle und der Stahlpfähle. Viele Änderungen am Entwurf können daher einfach durch Ändern der Parameterwerte vorgenommen werden; danach wird das gesamte Modell automatisch angepasst und die Bewehrung wird ebenfalls aktualisiert.
Michiel Bienens, der hauptsächlich für die Kranbalken und deren Stützen zuständige Ingenieur, wollte die Planung noch weiter automatisieren. Deshalb erstellte er Dynamo-Skripte für eine automatisierte Kollisionskontrollen der Pfähle. Dabei mussten die sehr große Anzahl der Pfähle und die Handhabung der Objekte in den Abbruchphasen berücksichtigt werden. Die temporären Betonfüllungen wurden mithilfe von Dynamo ebenfalls automatisch mit Bewehrungen versehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Dynamo war das automatische Skizzieren der Bodenoberfläche, da für viele Phasen in diesem Projekt Erdbewegungen erforderlich waren.
Die Leistungsfähigkeit der Revit-Software, insbesondere die Verbesserungen der Visualisierung von Bewehrungen in den letzten Versionen, überzeugte Tractebel davon, die gesamte Modellierung in einem einzigen Modell vorzunehmen. Die Zeichnungen der Kaimauer im Kontext des Hafens wurden mit diesem Modell verknüpft. Durch die Übernahme von Daten aus dem Civil 3D-Modell wurde eine perfekte Abstimmung mit der vorhandenen Infrastruktur sichergestellt. Zunächst wurde auf Basis von Unterwasservermessungsdaten in Civil 3D eine bathymetrische Karte (topographische Karte des Hafenbeckens) erstellt. Diese Daten wurden dann mit LIDAR-Daten der über dem Meeresspiegel liegenden Struktur kombiniert. Schließlich wurde dieser vollständige Datensatz in Civil 3D in ein Geländemodell umgewandelt und dann in Revit exportiert.
Die Möglichkeit, in Revit Bauphasen zu definieren, spielte ebenfalls eine wichtige Rolle, nicht nur für typische Szenarien im Projektmanagement und die Handhabung von temporären Strukturen. Sie hat dem Hafen von Antwerpen auch geholfen, eine nachhaltige Planung des neuen Europa-Terminals in die Tat umzusetzen. Da die Schiffe auch während der Arbeiten weiterhin zum Be- und Entladen von Gütern anlegen, wird die 1.200 m lange Kaimauer in drei Hauptphasen errichtet. Jede Phase wurde in mehrere Schritte unterteilt, um eine detailliertere Verwaltung innerhalb des Revit-Modells zu ermöglichen.
Die Bauphasen wurden auf der Grundlage des in den kommenden Jahren erwarteten Verkehrsaufkommens ausgearbeitet. Die Kaimauer wird an einem anderen Ort als bisher errichtet, um den Abstand zwischen der Fahrrinne im Fluss und dem Terminal zu vergrößern und das nahe gelegene Naturschutzgebiet zu schützen. In den ersten drei Jahren werden die ersten 450 m der Mauer gebaut. Das Europa Terminal befindet sich an der Außenseite einer Flussbiegung, die Strömung ist dort sehr stark und der Gezeitenunterschied beträgt etwa fünf Meter. Um den Hafenbereich vor vorbeifahrenden Schiffen zu schützen, wird zunächst eine temporäre Struktur zwischen der Fahrrinne und der Baustelle errichtet. Diese verhindert auch, dass Bauschutt im Fluss landet. Anschließend wird der vorhandene Kai abgerissen. Nach Fertigstellung der neuen Kaimauer werden die temporären Strukturen wieder entfernt und die Anlegestelle auf die erforderliche Tiefe von 17,5 Metern ausgebaggert. Im letzten Schritt werden die neuen Containerkräne montiert. Dieser Vorgang wird dann für das nächste Stück Kaimauer von 220 m und schließlich für die verbleibenden 530 m wiederholt. Um das Naturschutzgebiet zusätzlich zu schützen, wird auch ein Unterwasserdamm gebaut. So kann der Hafen von Antwerpen seiner Rolle als Welthafen gerecht bleiben und gleichzeitig Rücksicht auf seine natürliche Umgebung nehmen.
Die Zusammenarbeit bei Modellierung und Detaillierung wurde ermöglicht durch die Revit-Werkzeuge für die Arbeitsteilung in der Cloud, während Autodesk Docs allen Projektbeteiligten und Ingenieuren die Überprüfung des 3D-Modells und der Zeichnungen ermöglichte. Für Behörden, die keine Revit-Lizenzen besitzen, können aus dem Revit-Modell exportierte DWG-Dokumente in der Cloud zur Verfügung gestellt werden.